Eulen in Auwäldern
Mondlicht spiegelt sich glitzernd in dem Wasser des Donau-Altarmes, in der Ferne bellt ein Reh und irgendwo am Gewässerrand nagt ein Biber an einem auserwählten Baum. Jedes Geräusch wird registriert, aber gesucht wird nach einem ganz bestimmten: dem Gesang von Eulen. Von den 13 europäischen Eulenarten sind zehn in Österreich heimisch. Aufgrund der hohen Biodiversität an Kleinsäugern stellen Auwälder und deren Umgebung besonders für Waldkäuze (Strix aluco), Waldohreulen (Asio otus), Uhus (Bubo bubo) und Schleiereulen (Tyto alba) bedeutende Brut- und Jagdhabitate dar. Das Vorkommen verschiedener Eulenarten kann als Hinweis auf einen vielfältigen Lebensraum gesehen werden, denn Eulen kommt ein hoher Stellenwert als Bioindikatoren zu. Höhlenbrütende Arten wie Waldkäuze und Rauhfußkäuze beispielsweise können ein Indiz auf eine Balance zwischen naturnaher Waldstruktur, Totholz, Insektenreichtum und Spechtbestand sein.
Im Rahmen meiner Masterarbeit habe ich im Frühjahr und Herbst 2012 eine umfassende Kartierung durchgeführt, wobei der Fokus auf den Arten Waldkauz, Waldohreule und Uhu lag. Die Analyse der Freilanddaten wird unter Anderem Aufschluss über Habitatpräferenzen, Habitatqualität und Populationsdichte liefern.
Nächtliche Kartierung
Bei Sonnenuntergang, zu einer Zeit, wo die meisten Menschen nach ihrem Arbeitstag das Büro verlassen und sich auf die Couch daheim freuen, beginnt für Eulenforscher erst der Tag. Von März bis Anfang Juni beziehungsweise Oktober bis November 2012 wurde – ausgerüstet mit Richtmikrofon, Parabolspiegel und Aufnahmerekorder sowie GPS-Gerät und Mini-Lautsprecher – auf einer Fläche von etwa 110 km2 eine Eulen-Kartierung durchgeführt. An der Donau erstreckt sich das Untersuchungsgebiet von der Lobau bis zur Marchmündung: Damit umfasst es den gesamten Nationalpark Donau-Auen, aber auch Petronell-Carnuntum. Entlang der March wurde nach den Jägern der Nacht im WWF-Reservat der Marchauen gesucht. Erste Ergebnisse zeigen, dass die Opportunisten Waldkauz und Uhu im gesamten Untersuchungsgebiet vertreten sind. Waldohreulen bevorzugen große Offenflächen mit Baumgruppen bzw. lockerem Wald. Da weniger als 20 % des Untersuchungsgebietes von Wiesen- und Offenflächen bedeckt sind, ist diese Eulenart nur an Randbereichen und an sehr großen Lichtungen zu finden.
Verräterischer Gesang
Waldkäuze sind leicht an dem typischen flötenden Reviergesang der Männchen zu erkennen. Zwischen März und Mai, zur Zeit der Frühjahresbalz, ist das Umwerben der Männchen um die Gunst der Weibchen oft weit zu hören. Im Herbst, während der sogenannten Herbstbalz, erreicht die Gesangsaktivität ein zweites Maximum. Meldete sich an einem Beobachtungspunkt jedoch keine Eule, wurde getestet, ob das Territorium tatsächlich unbesetzt war: Mittels Playback lassen sich besonders die territorialen Waldkäuze aus der Reserve locken. Aber es ist nicht nur von Interesse ob und welche Eulenart das Territorium für sich beansprucht, sondern auch „wer“. Individuen lassen sich anhand ihrer Gesänge zuverlässig voneinander unterscheiden. Hierfür wurden die Gesänge der Tiere aufgenommen und bioakustischen Analysen unterzogen. Nicht nur einmal brachten mich die Waldkäuze zum Schmunzeln. So divers und variabel die Gesänge dargebracht wurden, so charakteristisch waren manche Territorialgesänge einzelner Individuen: von krächzend über quietschend bis hin zu geisterhaft. Übrigens: Die Weibchen können ihren Partner imitieren!
Klein aber Oho – Waldkauz v.s. Uhu
Mit knappen 70 cm Körpergröße ist der Uhu die größte Eule weltweit. Neben Kleinsäugern, Amphibien und Singvögeln stehen Eulenarten bis mittlerer Größe auf dem Speiseplan. So liegt die Annahme nahe, dass Waldkäuze den Uhu-Territorien ausweichen, um das Prädationsrisiko zu vermindern. In den Donau-Auen befinden sich vier bis fünf Uhu-Territorien, bemerkenswerterweise kommt es aber in keinem dieser Territorien zu den erwarteten Ausweichreaktionen. Ganz im Gegenteil – Es wurden provokante Annäherungen der Waldkäuze auf Uhu-Playbacks beobachtet!
Verborgen, aber schützenswert
Schön langsam haben Eulen ihre Vergangenheit als Hexen- und Totenvögel hinter sich gelassen, dennoch sind viele Arten auf Unterstützung angewiesen. Die Gefährdungssituation des Uhus hat sich in den letzen Jahren durch Schutzbemühungen verbessert, aber der Bestand erholt sich nur langsam. Auf Österreichs Straßen verlieren jährlich viele Eulen ihr Leben, und der Habitatverlust stellt ein großes Problem dar. Der Nationalpark Donau-Auen, Petronell-Carnuntum und die Marchauen, wo Wälder mit einer naturnahen Waldstruktur, Totholz und alten Bäumen der Natur wieder Einzug geboten haben und bieten, veranschaulichen wie wichtig es ist – aber auch wie schön es sein kann – Lebensräume zu erhalten.
Christina Nagl
Universität Wien, Masterstudium Zoologie
Die Natur mit ihrer Vielfalt und Dynamik faszinierte mich schon seit meiner Kindheit. So war es nicht verwunderlich, dass mich der Weg zum Biologie-Studium an der Uni Wien führte, wo ich im Bachelor-Studium Zoologie die Richtung Verhaltensbiologie einschlug und im Masterstudium mein Interesse an Verhalten, Ökologie und Naturschutz in einem Thema vereinte: Eulen. Seit Frühjahr 2012 bin ich auf den Spuren dieser nächtlichen Wesen. Welche Habitate nutzen sie? Welche Waldgebiete sind besonders wertvoll für sie? Wie viele Individuen halten sich in den Donau-Auen überhaupt auf? Auf diese und ähnliche Fragen suche ich Antworten.
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